nachgedacht

In Würde altern – gib Falten eine Chance

Falten

Vergangenen Mittwoch war ich auf einem Talk von Brigitte Lacombe im Hebbel am Ufer, im Zuge der Berlinale versteht sich. Die Dame ist Setfotografin, seit Jahrzehnten im Business und hat schon unzählige Hollywood Stars und Sternchen während der Dreharbeiten vor der Linse und vor und hinter der Kamera gehabt. Außerdem war sie dieses Jahr Jurymitglied. 

Brigitte hat eine beeindruckende Vita, ihre Bilder sind schlicht gute, authentische Porträts, sie zeigen die Stars in ihren Rollen oder als „Normalos“ hinter der Kamera. Sie scheint die Eigenschaft zu besitzen, die einen talentierten Porträtfotografen ausmacht – dem Porträtierten das Gefühl zu vermitteln, sich so zeigen zu dürfen, wie er ist. Und genau so unprätentiös wirkt sie auch auf mich live auf der Bühne. Eine Frau in unaufgeregtem Outfit mit schwarzer Jeans und schwarzem Rollkragenpulli hält eine ebenso unaufgeregte Powerpoint-Präsentation, sympathisch. Sachlich erzählt sie ein paar Hintergrundgeschichten zu den Setbildern – da sieht man Leonardo DiCaprio wie er von Scorsese zwischen den Szenen Regieanweisungen bekommt, oder Nicole Kidman in der Umkleide zum Film Australia. Es wirkt fast ein bisschen so, als wäre Lacombe überrascht und ein wenig unangenehm berührt darüber, warum hier ziemlich viele Leute im Theater am Ufer sitzen und sich dafür interessieren, was sie macht. So als fühle sie sich hinter der Linse um einiges wohler als davor. So als als laute ihr Ethos – mit Stars arbeiten gerne, durch ihr Werk selbst zum Star werden, sei es nur für eine halbstündige Powerpoint-Präsentation, nein danke.

Nach dem Vortrag in der Q&A-Session wurde eine Frage aus dem Publikum gestellt, bei deren Antwort ich aufhorchen musste. Eine junge Frau wollte wissen, wie Lacombe zum Prozess des Alterns stehe. Eine interessante Frage an jemanden, der in seiner Rolle hinter der Kamera steht und sprichwörtlich hautnah beobachten kann, wie viele Schauspieler mit dem Altern umgehen. Der Branche wurde bis noch vor wenigen Jahren nachgesagt, dass sie den medial kreierten Jugendwahn noch verschärft, da viele Filme auf eine 18 jährige Zielgruppe ausgerichtet seien. Und in Teeniekomödien und Actionfilme werden nur junge, attraktive Schauspieler gecastet. Doch obwohl Hollywood mittlerweile längst die steigende Anzahl der reifen Zuschauergruppe bedient, besteht der Druck, mit chirurgischen Eingriffen seiner Jugendlichkeit auf die Sprünge zu helfen, weiterhin. Brigitte’s Meinung zu Botox und Co. lautet jedenfalls: „I don’t find it very successful if you have tempered with your face. People who age well don’t do that. Just accept the fact. Take Meryl Streep for example, her emotions are beautifully accessible and she doesn’t do anything with her face.“ Sie selbst schaue so gut wie nie in den Spiegel, ihre Kleidung sei eine Uniform.

Altern, äußerlich und innerlich, und dann auch noch in Würde, das ist bereits für viele 20-somethings ein angstbesetztes Thema. Frauen, die Erfüllung in ihrem Leben gefunden haben, innerlich gereift sind, scheinen sich wenig Gedanken um die Beschaffenheit ihrer Haut zu machen. Ich muss zugeben, gefeit bin ich gegen das Thema auch nicht ganz, hab ich mich doch schon das ein oder andere Mal beim argwöhnischen Begutachten meiner „Denkerfalten“ im Spiegel erwischt. Mit 16 schämte ich mich wie jeder leicht eitle Teenager in dieser Phase für meine Pickel, verursacht und verstärkt durch das pubertäre Hormonchaos, 10 Jahre später freue ich mich anscheinend nicht gerade über erste Fältchen, verursacht durch die natürliche Hautalterung und wahrscheinlich noch verstärkt durchs darüber nachdenken. Bin ich, was mein eigenes altern angeht, wirklich so wenig gelassen? Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung und Selbstakzeptanz die Heilung. Damals musste ich akzeptieren, dass ich nicht zu den coolsten Mädchen der Schule gehöre. Heute möchte ich akzeptieren, dass ich älter werde und mich über jeden Monat mehr an Lebenserfahrung freuen. Das Mehr an Lebenserfahrung bringt dann auch mehr Gelassenheit und Selbstakzeptanz, irgendwann bestimmt.

Ja, Falten sind schön, Falten sind authentisch und machen nicht nur die Mimik erlebbar, sondern erzählen auch persönliche Geschichten. Auch wenn der Vergleich auf den ersten Blick wenig schmeichelnd sein mag, ähnelt die faltige Haut in der Hinsicht doch einem Jahresring, anhand dessen man die Lebensgeschichte eines Baumes erkennt. Zu seinen Falten zu stehen, heißt zu seinem Alter zu stehen, sich seiner selbst bewusst zu sein, seinem Leben und seinen Erfahrungen, die einem ins Gesicht geschrieben sind. Es bedeutet aber auch, sich von den Erwartungen zu lösen, die unser Umfeld und unsere Gesellschaft an uns stellen. Wie hat man in welchem Alter auszusehen, was sollte man bis zu einem bestimmten Alter erreicht haben, wie sollte man sich altersgemäß verhalten – diese Fragen stellen wir uns im ständigen Vergleich mit anderen und vergessen darüber manchmal, Verantwortung für unser Leben und unsere persönlichen Erwartungen zu übernehmen. Menschen, die sich von diesem gesellschaftlich normierten Druck gelöst haben, strahlen diese Gelassenheit und Zufriedenheit mit sich selbst aus. Deshalb finde ich wie Brigitte viele ältere Frauen so attraktiv, da sie diesen Zustand schon erreicht haben, Ausstrahlung pur. Ein offener und positiver Charakter ist eben nicht nur zeitlos, sondern auch sexy.

 

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